Crazy Colleague 22
Der Schnösel

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Karteikarte des Schnoesels
CC22 Der Schnoesel english

Die Geschichte des Kollegen

Auch das Erben ist ein Recht des Zueignens, oft ein trauriges, denn wer in seiner Erbshoffnung ohne Erwerbs- und ohne Verdienstfähigkeit emporwächst, der hat seinen Kopf für die Hoffnung einer Perücke preisgegeben! (Johann Heinrich Pestalozzi)

Gefährlich:  60

Nervtötend:  35

Kompetitiv:  30

Inkompetent: 90

 

Der Kollege

Du arbeitest härter und leidenschaftlicher als alle anderen, um deine Ziele zu erreichen? Du bist aufopferungsvoller und resistenter als die gesamte Firmenbelegschaft? Du bringst die höchsten Qualifikationen und Erfahrung mit und weißt diese auch in die Tat umzusetzen? Du hast über Jahre hinweg einfach alles Erdenkliche getan, um die Firma voran zu bringen? Dann herzlichen Glückwunsch in deiner neuen Rolle als Vizeabteilungsleiter! Leider ist die Position als Abteilungsleiter schon an den Sohn des Chefs vergeben, der gerade aus seinem Bettchen aufgestanden ist. Dieser mag zwar nie zuvor gearbeitet haben, mit seinen exzentrischen Launen den einen oder anderen Mitarbeiter als Bauernopfer aus der Firma getrieben haben und einen verwöhnten Halbtagsarbeitsstil in seiner Führungsposition an Tag legen – aber hey, nimm es ihm nicht krumm. Du musst schon zugeben, er hat das bessere Argument hinter sich: Ihm fließt halt das noble Blut des großen Ernährers durch seine Venen. Verzage nicht, sondern lerne die Vorzüge der Situation zu schätzen! Es wird dir eine Freude sein und Erfüllung bereiten, stets zur Stelle zu sein, um etwaige seiner Wissenslücken und Aussetzer geschickt zu korrigieren. Du wirst dich seiner Dankbarkeit gewiss sein, wenn Du die Schuld an seinen Fehlentscheidungen für ihn schulterst – naja, zumindest wird er dich so nicht gleich in einem Wutanfall entlassen. Sehe es positiv, die Rollen sind fest verteilt und es gibt keine Ungewissheit, ein jeder wird in seinen Stand geboren. Was uns einst von Gott gegeben, also die irdische Ordnung, bleibet uns so auf ewig erhalten. Und aus den Himmelsphären frohjauchzen die Gesänge der Engel, während Du für dein enthaltsames und entbehrliches Dasein irgendwann auch einen Lichtstrahl ernten wirst – wahrscheinlich im nächsten Leben, aber das ist ein unwesentliches Detail.

Du merkst schon, um wen es hier geht, um Ludwig, den Schnösel. Er ist der Tennisspieler mit der Wildcard, verzogener Bengel des Chefs. Aber sein genaues Erbverhältnis spielt eigentlich kaum eine Rolle. Wie beim Tennisturnier, kannst Du überall auf Menschen treffen, die keine Qualifikation vorweisen müssen, doch auf Grund des Namens oder der Abstammung, gleich eine Ebene weiter oben starten dürfen. Das mag ein Familienmitglied, ein Golffreund oder ein mafiöser Kontakt, dem der Chef aus der Vergangenheit noch ein Gefallen schuldet, sein. Stell dich darauf ein, dass Du mit großer Wahrscheinlichkeit an jedem Arbeitsplatz einer gewissen Größe jemanden vorfinden wirst, der seine Stellung nicht seinem Können verdankt, sondern Vitamin B. Der Stereotyp gleicht gewöhnlich einer arroganten Persönlichkeit, die sich nicht um andere schert und sich auf ihrem Wohlstand ausruht. Dabei muss nicht jeder, der seine Karriere mit einer Wildcard gewonnen hat, zwangsläufig menschlich verdorben sein oder einen schwierigen Charakter besitzen. Man sollte sie nicht alle über einen Kamm scheren, sie können durchaus ganz unterschiedlich daherkommen. So mancher von noblem Blut wird sich schwierig und großkotzig verhalten, der andere bescheidener agieren und ein weiterer wiederum eine leichtgesinnte Frohnatur sein. Manchmal kann es vielleicht sogar ganz aufheiternd sein, wenn sich in einem strengen Arbeitsumfeld eine leichtfüßige Person bewegt, die alles etwas lockerer sieht, weil sie wenig von oben zu befürchten hat. Was die meisten von ihnen allerdings gemein haben, ist, dass ihnen das Leben eine gute Portion Glück in die Wiege gelegt hat und sie sichtlich verwöhnt sind. Das macht sie nicht nur wenig belastbar, sondern sorgt in der Regel auch für höhere Erfolgserwartungen.

Am Ende kommt es ganz auf die Charakterstärke der Person an, nicht jeder lässt sich von Reichtum und Privilegien verderben und auch nicht jedem geben sie Sicherheit. Andere empfinden sie als Last und fühlen sich besonders unter Druck, sich beweisen zu müssen. Das kann bis zu Minderwertigkeitskomplexen reichen, wie beim „sich-zu-klein-fühlende-Napoleon“-Syndrom. Auch die stärkste und am besten ausgerüstete Armee lässt Ludwig sich nicht groß fühlen, weil er nun mal nur ein kleiner Mann mit Hut ist. Vielleicht ist dies die schlimmste Form des Schnösels. Denn nicht nur, dass er in die bessere Ausgangstellung als Du geboren worden ist, so fühlt er den Drang, sich dir und den anderen gegenüber beweisen zu müssen. Wenn es zum Duell kommt, so stehen deine Chancen ähnlich wie die von Alice im Wunderland beim Truthahngolf gegen die Herzkönigin. 

Die Orientierung des Schnösels

Das Problem

Wie sehr dir der Schnösel zum Problem werden kann, kommt ganz stark darauf an, wie euer Arbeitsverhältnis und Umfeld aussehen. Solltet ihr Konkurrenten um eine höhere Position sein – Na dann, gute Nacht, zähle lieber schon mal die Schafe. Steht ihr formell auf einer Stufe, so ist es klar, dass er den Treppenlift benutzen darf, während Du mit eingeseiften Socken über Reißzwecken nach oben stolzieren musst. Aber direkte Konkurrenz ist nur eine denkbare Konstellation. Ebenso wenig wünschenswert kann es sein, wenn er dir als Mitarbeiter direkt untergestellt ist. Hier erwarten dich bei deinem Weg durch den Wald eine Vielzahl von Bärenfallen: Was machst Du, wenn er zu verwöhnt zum Arbeiten ist und erwartet, dass jemand anderes ihm die Last abnimmt? Oder wenn er sich bei seinem einflussreichen Vater über deinen Führungsstil beschwert? Oder er nur darauf wartet, genug zu lernen, um dich in Kürze ersetzen zu können? In diesem Fall ist psychologische Feinarbeit notwendig, um zu verstehen, was seine Absichten sind und ob es überhaupt eine Chance gibt, deine Haut zu retten. Der dritte Fall, der dir wohl am wahrscheinlichsten begegnen mag, ist derjenige, in dem der Schnösel dein Vorgesetzter ist. Hier kommt es darauf an, mit seiner Verwöhntheit und seinen Starallüren umzugehen, ohne Schaden zu nehmen. Er wird womöglich viel verlangen und ungeduldig sein, was dich schnell in Bedrängnis bringen kann. Alle drei sind Szenarien, die ihre Tücken haben. Zum Glück gibt es aber für alle Fälle wie immer eine Lösung.

Lösung 1: Suche nicht nach Gerechtigkeit

Suche nicht nach Gerechtigkeit. Dieses Konzept ist menschengemacht. Gerechtigkeit liegt im Auge des Betrachters und sie existiert in Reinform nicht auf Erden. Wiederhole dir das drei Mal beim Aufstehen oder tätowiere es dir auf den Oberarm. Ein Streben nach Gerechtigkeit wird auch am Arbeitsplatz wenig von Erfolg gekrönt sein. Ein Elon Musk kauft sich die Gerechtigkeit und lässt sie dann über Twitter bzw. X verkünden. Verstehe das nicht falsch, das heißt nicht, dass Du ungerecht sein solltest – was auch immer Du unter Gerechtigkeit verstehst. Es ist lobenswert und lohnend, einen kleinen Teil dazu beizusteuern, dass die Welt ein besserer Ort wird. Teile mit denen, die weniger als Du haben, aber akzeptiere, dass manch anderer immer mehr haben wird, als er verdient. Die Besinnung darauf, dass es vielen womöglich schlechter als dir in der Firma ergeht, kann das Gefühl von Neid auf die Privilegierten, mit dem Gefühl von Dankbarkeit ersetzen. Überlasse es dem Karma, für Gerechtigkeit zu sorgen, es ist nicht dein Job!

Lösung 2: Besinne dich auf deine Stärken

Du magst dich fragen, was besitzt Ludwig, dass Du nicht hast? Wohin Du blickst, springen dir Prunk und Reichtum ins Auge. Dabei ist die Antwort auf diese Frage ganz offensichtlich. Du hast etwas, das er nicht hat und worauf es eigentlich ankommen sollte: Fachkompetenz und Arbeitswillen! Sollte sich das auf längere Dauer nicht auszahlen, dann ist es womöglich nicht die Schuld des Adels in der Firma, sondern es ist der Arbeitsplatz selbst, den Du vielleicht besser verlassen solltest? Ein verwahrloster Garten voll Unkraut wird nie frisches Gemüse hervorbringen, sondern einfach das garstigste Gestrüpp sprießen lassen. Entweder Du passt dich an, bist genügsam oder wechselst besser das Parket! Lasse deine Wut also nicht an Ludwig aus, sondern an denjenigen in der Firma, die Vetternwirtschaft ermöglicht haben!

Lösung 3: Verliere, aber mit Stil

Sollte es zu einem ernsten Konflikt oder einer Konkurrenzsituation kommen, ist es wahrscheinlich ratsam, eine gewissen Grenze zu ziehen und nicht um jeden Preis gewinnen zu wollen. Denn eine Niederlage im Wettkampf gegen den Schnösel ist so unvermeidlich wie Regen am Ostermontag und zugleich keine Schande. In bestimmten Situationen mag es besser sein, von vornherein das weiße Handtuch zu werfen, jedoch ohne sich dabei unter Wert zu verkaufen. Ein Kräftemessen sollte nicht nach Adel gegen Bettelmann aussehen, sondern vielleicht eher nach Adel gegen Ehrenmann. Sollte er eine aufrichtige Person sein, so wird er deine Mühen anerkennen und deinen Einsatz schätzen. Denke daran, dass sein Einfluss auch dir zu Gute kommen kann. Hat er hingegen einen zweifelhaften Charakter, ist es umso wichtiger, dass Du ein würdiger Herausforderer bist und dass dies auch zu Tage kommt. In einem ungleichen Duell werden andere Kollegen zumindest moralisch auf deiner Seite stehen. Selbst wenn Du dieses Mal verloren haben solltest, keine Situation ist dauerhaft. Sollte sich Ludwig einst zu weit aus dem Fenster lehnen und hinausfallen, was bei seinem eingebildeten Charakter gar nicht so unwahrscheinlich ist, so stehst Du schon bereit, um an einen Fensterplatz nachzurücken.

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