Crazy Colleague 21
Der Alternative

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Die Geschichte des Kollegen

Wer mit 20 kein Kommunist ist, hat kein Herz. Wer mit 30 noch Kommunist ist, hat keinen Verstand. – Winston Churchill. Und wer mit über 30 als Kommunist in einem Büro arbeitet, der hat nun wahrlich einen an der Waffel…

Gefährlich:  25

Nervtötend:  35

Kompetitiv:  00

Inkompetent: 75

 

Der Kollege

Im Büro zu arbeiten und gleichzeitig gegen das Establishment zu protestieren, kann ganz schön cool sein. Es gibt sie wohl überall, Mitarbeiter, die sich mit einem leichten Hauch von Nonkonformismus zur Identitätsstärkung regelrecht brüsten (Siehe auch die Kapitel „Che Guevara mit Rolex“ und „Der Prolet“). Dann gibt es vereinzelnd sogar echte Revolutionäre, Kommunisten und Anarchisten unter den Kollegen, hier ganz verallgemeinernd unter der Bezeichnung „Alternative“ zusammengefasst. Wie zum Beispiel Bolle, 38 Jahre alt, festangestellt, vermeidet Anstrengung und verabscheut den Kapitalismus! Er hat bei seinem Protest nur ein Problem: Geld zu haben findet er dennoch irgendwie ganz gut. Das würde er natürlich niemals zugeben. Sonst wäre er mit Sicherheit nicht hier, denn er hasst Arbeit wie Van Gogh seine Ohrläppchen. Garantiert ist er nicht wegen dem fetzigen Ambiente im Büro. Für ihn ist Geld verdienen ein notwendiges Übel der heutigen Gesellschaft und wo könnte er leichter und unauffälliger unterkriechen, als in einem Büro, indem sich der kontinuierliche Zirkelgang – vom Drucker zum Schreibtisch (Dokumente niederlegen), zur Kaffeemaschine (Kaffee in die Tasse hinein), zum Drucker (Neuer Druckauftrag an), zum Bad (Kaffee ins Becken heraus), zum Drucker (Dokumente abholen) und wieder zum Schreibtisch (Zirkel geschlossen) – also vermeintliches „Nichtstun“, als Malochen verkaufen lässt?

Auch wenn der Alternative das Spiel der Professionalität mitspielt, unter der Bürouniform versucht er seine Persönlichkeit zu wahren. In Büros mit weniger streng geführter Kleiderordnung neigt er dazu, mit dem zum Ausdruck bringen seines Modegeschmackes zu übertreiben. T-Shirts von progressiven Bands und Jeans, welche durch den Reißwolf gelaufen zu sein scheinen, gehören zu seiner Standardausrüstung. Wichtig ist es ihm, sich von der langweiligen Masse an blauen Business-Hemdträger-Klonen zu unterscheiden. Hingegen dem 0815-EMP-Shop-Alternativen zu gleichen, geht schon in Ordnung und er ignoriert gerne die Tatsache, dass seine Lieblingsbekleidung als Massenware in China oder Bangladesch produziert wird. Des Weiteren liebt er in der Regel Tattoos, Dreadlocks, zerfranste Bändchen und spitzen Klunkerkram, um sich diesen an diversen Stellen durch den Körper zu bohren und vielleicht auch, um unbeliebte Kollegen sich daran ab und zu pieken zu lassen.

Ob Bolle Kontakt zu seinen Mitmenschen im Büro pflegt, hängt weniger davon ab, ob diese ihm nützlich sind, sondern eher wie cool er diese findet. Karriere machen zu wollen, gehört ganz eindeutig zu den uncoolen Dingen. Er hingegen wendet sich den wirklichen Problemen der Welt zu, wie dem Welthunger, der Klimakrise, der Ausbeutung armer Menschen durch Banken und Großaktionäre. Zumindest so lang, bis er nicht doch irgendwann bei einer günstigen Gelegenheit vom Ruf des Geldes verführt wird. Sollte sich ganz unerwartet eine Tür zum Reichtum für ihn auftun, dann ist er doch bereit, die filzigen Haare abzuschneiden und die Piercings gegen eine Dusche in Hugo Boss einzutauschen. 

Die Metamorphose läuft dann ähnlich wie bei der Trauerbewältigung in mehreren Phasen ab. Zuerst die Verneinung („Hey, ich habe mich nicht verändert, ich bin immer noch Zecky, die kleine Beulenpest! Nur kann ich das Geld mit meinen finanziellen Schwierigkeiten grad so gut gebrauchen!“), dann die Phase der Erkenntnis („Fuck, was ist nur aus mir geworden? Wo sind all meine Ideale hin?“), darauf folgt eine Periode der Mid-Life Krise mit Rückfall in alte Zeiten („Hey Bobby, bitte nimm mich mit ins Zeltlager, dann rauchen wir das Kraut so wie früher, in den guten alten Zeiten!“), eine zweite Phase der Erkenntnis („Verdammt, ich bin zu alt für den Mist geworden, seit wann kriegt man so einen Schädel vom Rauchen?“) und schließlich die Phase der Resignation („So geil ist es gar nicht, wohlhabend zu sein, aber zurück schockt auch nicht…was soll es, mir fehlen nur noch 20 Jahre bis zur Rente, die sitze ich schon irgendwie ab!“).

Ein paar Wenige bleiben aber auch bis an ihr Lebensende „Zecky, die kleine Beulenpest“. Gemeine Zungen mögen behaupten, bei ihrem Lebensstil sind sie zumindest schon gut auf die Altersarmut vorbereitet! Da spiegelt sich der Neid dieser Zungen wider, denn wer wirklich alternativ im Herzen ist, der ist genügsam. Allerdings hat der Alternative mit zunehmendem Alter womöglich noch weniger Verständnis für den verschwenderischen Lebensstil seiner „reichen“ Mitmenschen und seine Erfahrung lehrt ihn, dass er sich von den anderen nicht kommandieren lassen muss. Im Büroleben lohnt es sich wirklich kaum, einem (An-)Schrei zu folgen. Konsequenzen für seinen Hang zur Arbeitsverweigerung muss er wahrscheinlich auch nicht mehr befürchten und so wird es schwierig für all diejenigen, die nicht mit ihm auf einer Wellenlänge sind, aber mit ihm zusammenarbeiten sollen.   

Nicht zuletzt gibt es auch ihn, den aufrichtigen Alternativen, den intellektuellen Vertreter dieser Kategorie. Sein Lebensstil geht weit über die Bedeutung seines Auftritts bei der Arbeit hinaus und er weiß, dass mit Faulheit niemandem geholfen ist. Er ist Idealist und will die Welt verändern. Dadurch setzt er uns vor ein anderes Problem: Er appelliert aktiv, aber auch passiv an unser Gewissen. Manche versuchen regelrecht militant ihre Mitmenschen unter Druck zu setzen, die Welt zu verbessern und die Grenzen hin zum Kollegentyp „Moralapostel“ können bei ihm verschwimmen. Aber dieser wird in einem eigenständigen Kapitel behandelt, hier sprechen wir in erster Linie über den klassischen „ich bin alternativ, weil mir Arbeit nicht gefällt“-Alternativen, der sich anders glaubt, aber am Ende gar nicht so anders ist und den anderen Eiern doch wie ein Ei gleicht und auf die Eier geht. Mit dem kleinen Unterschied vielleicht, dass er ein originelleres Outfit trägt und noch weniger Arbeitsdisziplin als der Durchschnitt aufweist.

Die Orientierung des Alternativen

Das Problem

Warum kommt es mit diesem Kollegen zu Schwierigkeiten? Zunächst können die Alternativen ganz schön viel Extraaufwand für ihre fleißigen Mitmenschen bedeuten. Zumindest diejenigen Exemplare unter ihnen, die wirkliche Arbeit scheuen. Mag das System auch unfair sein und Fehler haben, sich gegen es aufzulehnen heißt erst einmal, dass dieses Verhalten denjenigen, die sich in ihm befinden, nicht zu Gute kommt. Es läuft ähnlich wie in der Fabel mit den Ameisen und der Grille, in welcher die fleißigen Ameisen vorsorgen, während sich die Grille einen schönen Lenz macht und den Ameisen mit ihren vier Grillenhänden den Mittelfinger zeigt. Als dann der harte Winter einbricht, kommt das schmarotzende Tier auf Knien bei der Ameisenkönigin an und bettelt. Dass die Ameisen die Grille letztendlich aufnehmen und durchfüttern, anstatt sie in kleine Teile zu zerlegen, so funktioniert theoretisch (durchaus zum Glück!) auch unsere Gesellschaft. Garantiert führt man in Armut kein beneidenswertes Leben, aber der Alternative ist nicht dazu gezwungen, den Haifischzahn seiner Kette aufzubrechen, um das Knochenmark heraus zu schlürfen (welches er dort eh nicht vorfinden täte, aber als erster Gedanke nicht schlecht). Allerdings weiß die Grille in der Fabel dann den ganzen Bau mit ihrer Musik bei Laune zu halten, eine Gegenleistung, die man vom Alternativen nicht unbedingt erwarten kann. Womöglich kann er dir allenfalls ein schiefes Bob Dylan Konzert, daher-geschrammelt auf einer maroden Gitarre, bieten.

Lösung 1: Don Camillo und Peppone

Zwist mit dem Alternativen? Ihr kommt einfach auf keine grüne Linie? Während Du dick Karriere machen willst, erprobt er für sich schon den Aufstand des Proletariats? Verzweifle nicht, sondern lerne mit ihm auszukommen. Wer macht es nicht besser vor, wie man eine erfüllende und unterhaltsame Hass-Freundschaft führen kann, als das berühmte Duo aus dem ausgefuchsten Priester Don Camillo und dem kommunistischen Bürgermeister Peppone? Trotz aller ideologischen Differenzen und gelegentlichen Reibereien können die Beiden nicht ohne den anderen und haben viel Spaß miteinander. Warum nimmst Du sie dir nicht im Umgang mit dem Alternativen zum Vorbild? Sei ihm nicht abweisend gegenüber, aber verstell dich auch nicht, indem Du unaufrichtig seine Marotten gutheißt. Bolle ist es gewohnt, dass man seinen Standpunkt nicht teilt. Im Gegenteil, er braucht diese kleinen Konflikte sogar, sonst ist seine Meinung nicht mehr exklusiv und „alternativ“. Versuche einfach, nicht alles im Gespräch mit ihm so bierernst zu nehmen. Begegne ihm mit der richtigen Dosierung an Ironie, ohne das Gefühl zu vermitteln, ihn lächerlich machen zu wollen. Just so viel, dass ein durchaus unterhaltsamer Schlagabtausch erwachsen kann!

Lösung 2: Der Besuch der alten Dame

Ja, Kommunist sein macht Spaß, solange man arm ist – oder vielleicht auch als ein wohlgenährter Funktionär, der die einzige Partei des Landes leitet. Das hat aber dann nicht mehr wirklich etwas mit den Idealen des Kommunismus zu tun. Kommt Geld ins Spiel, dann wird es für den Verfechter altruistischer Ideologien schon schwieriger, seiner gepredigten finanziellen Enthaltsamkeit nachzukommen. Sicherlich, ein paar wirklich prinzipientreue Alternative lassen sich auch von dem Wink kleiner, bunter Scheine und dem Klimpern glänzender Groschen nicht verführen. Aber der simple Ruf des Geldes selbst ist auch noch nicht die Schwierigste aller Charakterprüfungen. Die wahre, mächtige Treibkraft des Kapitalismus ist der Neid und die Gier, mindestens so viel (und am besten ein bisschen mehr) wie der Nachbar zu besitzen. Bist Du der Teamleiter und möchtest einen hartnäckigen Alternativen korrumpieren, damit er seine Ideale über Bord wirft, seinen Lebensstil aufgibt und ihn dazu bewegen, seine einmalige Identität auszulöschen, dann besteche nicht ihn, sondern seine nahestehenden Kollegen. Ein bisschen so wie es Friedrich Dürrenmatts alte Dame macht, die mit Geld das Umfeld ihres ehemaligen Herzensbrechers, welcher sie in Vergangenheit auf unrechte Weise ins Elend getrieben hatte, auf intrigante Weise gegen ihn aufbringt, bis – Achtung Spoiler – ihm die gierigen Menschen um ihn herum letztendlich kurzen Prozess machen. Natürlich wäre dies eine etwas exzessive Strafe für den Alternativen, wir wollen ja nur metaphorisch seine Identität zerstören, indem wir seine Kollegen mit ein paar Geschenken dazu bringen, sich als etwas Besseres zu fühlen. Gib Belohnungen oder Motivationshilfen aus, sei spendabel und lass den Alternativen dabei aus. Gut möglich, dass der Alternative dich dafür hassen wird, wer kann es ihm verdenken. Aber vielleicht wird er sich anpassen und dir dann eines Tages dankbar sein, wenn auch er sich in einen charakterlosen Büro-Normalo mit Geld verwandelt hat.

Lösung 3: Nachmacher, Nachmacher!

Nichts ist unangenehmer für jemanden, der über sein Äußeres seine Identität ausdrückt, als eins zu eins imitiert zu werden. Diese Lösung kostet ein wenig Überwindung, der Schaden ist aber temporär und sie funktioniert garantiert: Imitiere den Alternativen bis ins kleinste Detail. Nichts ist irritierender für einen pubertären Jugendlichen, als wenn sein Stil vom Vater kopiert wird. Klar, mag das ein bisschen peinlich sein, aber Du musst das Spiel ja nur solange spielen, bis der Alternative aufgibt und sich freiwillig Kragenhemd und Schlips überstreift. Schon hast Du ihn zur konventionellen Seite der Firma konvertiert und wirst ab nun an weniger von irritierender Vielseitigkeit bei der Arbeit abgelenkt.

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