Crazy Colleague 2
Der Beamte

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Die Geschichte des Kollegen

Der Beamte ist ein Optimierer und schafft es mit höchster Effizienz aus wenig Einsatz nichts zu machen. Weil die Stelle am Postschalter nicht mehr frei war und da die Erfindung der selbstklebenden Marken seinen Job als Briefmarken-Schlecker überflüssig gemacht hat, musste er sich eine Stelle in deiner Firma suchen.

Gefährlich:  10

Nervtötend:  10

Kompetitiv:  00

Inkompetent: 95

 

Der Kollege

Wer hat Angst vor Schlangen? Ein wenig haben es wahrscheinlich die meisten von uns. Je größer sie sind, desto bedrohlicher erscheinen sie dem Betrachter. Und Schlangen sind tückisch. Egal ob kurz oder lang, selten weiß man, wie lange es in ihnen auszuharren gilt. Wie entstehen Schlangen? Das kann viele Ursachen haben. Aber nicht selten liegt ihnen eine Art Schlangenzüchter zu Grunde. Dank seiner unerschütterlichen inneren Ruhe und Gelassenheit gewährt er Schlangen einen perfekten Nährboden, um länger und länger zu wachsen. So einen Schlangenzüchter nennen wir im Volksmund auch „Beamten“.

Nun gut, zugegebener Maßen, die einführende Analogie mag ein wenig irreführend sein. Es wäre ganz falsch, sich den Beamten wie einen typischen Schlangenbändiger mit Turban und Flöte vorzustellen, auch wenn Flötenmusik metaphorisch gut zu seinem Wesen passt. Auf der anderen Seite ist die Anspielung mit dem Züchten nicht ganz verkehrt, denn Gustav, der Beamte, scheint häufig auf dem Stuhl etwas auszubrüten. Bei den seltenen Gelegenheiten, in denen er sich vom gemütlichen Sessel erhebt, mag die Enttäuschung groß sein, kein Nest mit Eiern unter seinem Hintern zu erspähen. Der Grund fürs lange Sitzen ruht wohl eher daher, dass Gustav gerne sitzt. Er ist eine Persönlichkeit, die harmonische Gelassenheit ausstrahlt und dennoch seine Kollegen zur Weißglut treiben kann. Besonders diejenigen, die eine dringende Bitte an ihn haben. Denn neben stoischer Ruhe sind Trägheit und Faulheit sein zweites Steckenpferd.

In einer privaten Firma findet man natürlich normalerweise keine echten Beamten vor und dennoch gibt es genügend Angestellte, die ihre Rolle so interpretieren. Ganz im Sinne der Lehren des Lao-Tse lässt er sich durchs Leben gleiten, der plätschernde Bach fräst sich durch uraltes Gestein Richtung Rente. Das Wasser nimmt den Weg des geringsten Widerstands und fließt niemals bergauf.  Gustavs Tagesablauf ist hinsichtlich zweier Aspekte optimiert: Erstens, ja nicht zu hart zu schuften und zweitens, jegliche Gefahrenquellen auf dem gemütlichen Weg zum Ruhestand zu vermeiden. Er tut nicht mehr, als er machen muss und er wird jeder Arbeit, bei der es etwas falsch zu machen gibt, entsagen. Die Arbeit geht wie bei einem Eichhörnchen von statten. Winterschlaf kann sich der Beamte nicht erlauben. Aber Winterruhe und alle 100 Stunden mal zum Kopierer schlendern ist immer drin.

Sollte sich doch jemand mal anmaßen, ein Feuer unter der alten, knorrigen Eiche zu legen, wie zum Beispiel ein übermotivierter, junger Chef, so hat sich der Beamte gründlich zu seiner Verteidigung vorbereitet. Die Evolution hat Exemplare dieser Gattung von Kollegen hervorgebracht, die in Symbiose lebend mit Hausarzt, Gewerkschaftsvertretern und Anwälten, es perfekt verstehen, das Arbeitspensum auf das minimale Mögliche bei maximaler Bezahlung zu senken. Keiner kennt so gut wie Gustav jeden Absatz seines Arbeitsvertrages auswendig, weiß genau wie viele Fehlzeiten er sich erlauben darf, was er sich von den Vorgesetzten gefallen lassen muss und wo er sich querstellen kann. Er ist Stammgast bei seinem Hausarzt, der ihn dabei unterstützt, einen traditionellen Ritus zu etablieren. Diese Tradition besteht aus einem Tag des schrecklichen Wehleidens, einer ein-minütigen Routineuntersuchung und einer wiederholten, wochenlangen Pause, um seine chronischen Schmerzen im kleinen Zeh auszukurieren. 

Bis hierhin muss dich das ja alles gar nicht weiter tangieren. Das Arbeitsklima kann eigentlich nur angenehmer werden, je mehr Kollegen fehlen oder sich in ihrem gemütlichen Nest am Arbeitsplatz verstecken. Jedoch hat eine Firma in manchen Aspekten auch ein wenig Ähnlichkeit mit einer Familie oder wenn man es nicht ganz so kitschig sehen möchte, zumindest mit einer WG, in der jeder irgendwann mal den Müll rausbringen muss, bzw. die Hilfe oder Kooperation des anderen benötigt. Irgendwann bist Du an der Reihe, dann musst auch Du dich an den Schalter des Beamten stellen und hoffen, trotz der eigentlich garantierten Öffnungszeiten, in deinem Gesuch empfangen zu werden. Selbst wenn ihr ein gutes oder gar freundschaftliches Verhältnis pflegt, so ist nicht davon auszugehen, dass er seine Arbeitsphilosophie für dich vom Kopf aus in einer 180° Drehung auf die Füße stellt.

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Das Problem

Man könnte fragen „Was hast du nur gegen Beamte? Die tun doch nichts!“, aber genau dieses „Nichts“ kann dir auf vielerlei Weise zum Problem werden.  Je wichtiger und dringender die Aufgabe ist, desto mehr wird sich dir der typische Beamte versperren, denn nichts hasst er so wie Verantwortung und harte Arbeit. Durch seine unauffällige, ruhige Art mag Gustav viele Sympathisanten in der Firma haben, was dich wie ein Unmensch erscheinen lassen kann, solltest Du mit zu viel Druck deine Ziele zu erreichen versuchen. Verteidigung und Absicherung sind seine Spezialgebiete, deshalb solltest Du den Beamten nie direkt angreifen. Du musst zu subtileren Mitteln greifen, um dem schwerfälligen Murmeltier das Laufen beizubringen. Gleichzeitig sei nicht grünäugig oder blau hinter den Ohren, joviale Anbiederungsversuche ist er gewohnt und durchschaut sie leicht. Versuche es doch mal mit einem dieser Lösungsvorschläge.

Lösung 1: Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft, große die Wirtschaft.

Eine gute Firma funktioniert wie ein Schweizer Uhrwerk, sie ist zusammengesetzt aus vielen kleinen Rädern und Schrauben, die gut ineinandergreifen müssen, um präzise zu funktionieren – den Angestellten. Manche Räder drehen sich einfach, andere sind träge und haken ein wenig. Es braucht keinen Handwerker, um zu wissen, dass ein Rad sich meist besser dreht, wenn es geschmiert wird. Und was schmiert besser als ein Batzen Geld? Nun ist Schmiergeld nicht für alles ein ideales Gleitmittel. Am Arbeitsplatz kann es Gefahren mit sich bringen, seine Kollegen zu bestechen oder auch ganz und gar nicht angebracht sein (aber wann ist Bestechung schon mal wirklich angebracht?). Also lass die großen Batzen lieber in der Tasche. Doch hier und da das richtige, kleine Geschenk kann den Beamten aufwecken und ordentlich in Trapp versetzen – ich spreche hier aber nicht von einem Energydrink (das wäre dann ein „Geschänk“). Wichtig ist, dass die Geschenke subtil sind und mit einem gewissen zeitlichen Vorsprung zu deiner Bitte an ihn erfolgen, denn der Beamte ist gut drauf trainiert, sich nichts sichtbar zu Schulden kommen zu lassen. Das passende Geschenk auszuwählen ist nicht immer einfach. Es könnte auch ratsam sein, ihm mehrere kleine Paketchen zu schnüren, anstatt mit einem Großen viel Aufsehen zu erregen, d.h. eher Likörbohnen, Rabattmarken und Glitzersticker als eine teure Armbanduhr. Mit etwas Glück, hat schon der geringe Alkohol in den Bohnen mehr als einen homöopathischen Effekt auf die Moral und Arbeitseinstellung des Beamten.

Lösung 2: Nummer ziehen

Häufig funktioniert das gemeinsame Arbeiten mit dem Beamten wie an einem Postschalter, vor dem man eine Nummer zieht und dann auf seinen Moment warten muss, an der Reihe zu sein. An manchen Tagen ist diese Aufgabe mit ein wenig Geduld schon erledigt, an anderen ist die Schlange so lang, dass man nach dem Ziehen entspannt die Filiale verlassen, die Einkäufe im Supermarkt machen, das Kind vom Kindergarten abholen, die Enten im Park füttern und dann zur Filiale zurückkehren kann, um pünktlich zum Aufruf der eigenen Nummer am Schalter zu sein. Ähnlich gilt es bei der Arbeit mit dem Beamten, sich rechtzeitig bei ihm mit ordentlich Vorlauf anzumelden. Schreib ihm eine aufdringliche Mail mit wiederholten „Remindern“ für Leistungen, die Du vielleicht erst in Wochen von ihm erwartest. Planung ist hier alles. Lösung 1 und 2 lassen sich in seltenen Fällen auch kombinieren: Schickst Du ihm ein Beutel Likörbohnen mit einer Grußkarte, in der subtile Anspielungen an das gemeinsame Projekt enthalten sind, kann dies den Vorgang beschleunigen. „Veilchen sind blau, Rosen sind Rot, beim approven deiner Stunden, freu ich mich halb tot!“. Es kommt bei den Erfolgschancen aber sehr auf seinen Humor an – eine Disziplin, in welcher Gustav allerdings nicht immer glänzt.

Lösung 3: Panik in der Bananenrepublik

Wie in diesem Kapitel illustriert wurde, ist der Beamte darauf spezialisiert, von seinem Arbeitgeber so viel wie es geht zu nehmen und so wenig wie möglich zurückzugeben, ohne sich dabei die Weste zu beschmutzen. Dennoch ist er in der Regel seiner Firma treu. Wenn die Hütte brennt, steht er auf der Seite der Feuerwehr und nicht auf der Seite derer, die noch Zündholz und Benzinkanister in die Flammen werfen – wie es so mancher frustrierter Angestellte täte. Kommst Du ihm an normalen Tagen mit einer dringenden Bitte, so läuft der Apparat wahrscheinlich träge und Du musst lange auf seine Hilfe warten. Gelingt es dir allerdings, die Situation glaubhaft so darzustellen, dass die Titanic am Sinken ist, der Sauerstofftank von Apollo ein Leck hat, dann kann der Beamte manchmal ganz überraschend aus seiner Rolle fallen und wie von der Hummel gestochen loslegen, denn auf einmal sieht er sein gemachtes Nest in Gefahr. Setze ihm die Idee eines bevorstehenden Firmenbankrots ins Ohr. Kurzarbeit mit anschließender Übernahme aus China und deren Arbeitsmodellen. Auch wenn er sich eine gewisse Faulheit über die Zeit hart antrainiert hat, weiß er, dass ein Wechsel immer Unannehmlichkeiten mit sich bringt und dass er es nicht überall so gemütlich wie in seiner jetzigen Stelle vorfinden wird. Die überraschende Leistungsexplosion hält wahrscheinlich nicht lange an, aber dieser Lösungsvorschlag könnte besonders dann eine geeignete Wahl sein, wenn Du kurzfristig und wohlmöglich einmalig die Hilfe des Beamten beanspruchen musst.

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