Crazy Colleague #11
Der hinterlistige Großwesir
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Die Geschichte des Kollegen

„Ich habe nur ein Ziel: Ich will Vorstandsvorsitzender werden an Stelle des Vorstandsvorsitzenden!“
Gefährlich: 90
Nervtötend: 05
Kompetitiv: 90
Inkompetent: 25

Der Kollege
Er kommt aus dem Vorderen Orient, hat einen fusseligen Bart, trägt einen Turban und ist gefährlich. Nein, keine Sorge, es geht in diesem Kapitel nicht um einen fanatischen Gotteskriegerkollegen, der sich mit dir und der gesamten Büroeinrichtung in die Luft sprengen möchte. Genauso wenig geht es um eine aus der AFD-Propaganda entnommene „ich-raube-dir-deinen-Arbeitsplatz-und-belästige-deine-Frauen“- Klischeefigur. Schäme dich, falls Du diese Möglichkeiten beim Lesen des Einleitungssatzes nur einen Moment lang in Betracht gezogen hast! Aber zweifellos sprechen wir in den folgenden Zeilen über eine widerwärtige Persönlichkeit. Am einfachsten stelle ich sie dir mit einer Frage vor: Kennst Du Isnogud, den bitterbösen Großwesir, der in einem fernen, altertümlichen Bagdad einer im Stile von 1001 Nacht gehaltenen Welt nach nur einem Ziel strebt, welches darin besteht, den gutherzigen, aber höchst naiven Kalifen zu hintergehen, um ihn aus dem Weg zu räumen und somit seinen Platz einzunehmen? Zusammen mit seinem treuen Handlanger „Tunichgud“ feilt er die intrigantesten Pläne für einen hinterhältigen Staatsstreich aus, ohne dass der gute Kalif auch nur den geringsten Hauch einer Ahnung von seiner Boshaftigkeit bekäme.
Isnogud wurde von René Goscinny ersonnenen, von Jean Tabary gezeichnet und weitergeführt und wird heutzutage über „dani books“ veröffentlicht. Nun ist Isnogud ein Comic und – Achtung Spoiler – natürlich spielt der Zufall dem guten Kalifen jedes Mal in die Karten, sodass die Geschichte immer ein glückliches Ende nimmt. Also keinen Grund zur Sorge. Aber auch im wirklichen Arbeitsalltag begegnen uns solche hinterlistigen Großwesire. Leider ist, im Gegensatz zur Fiktion, das Glück nicht vorprogrammiert, besonders dann nicht, wenn sich ein Vorgesetzter so naiv wie der gute Kalif anstellt. Besser ist also, man erkennt solch eine garstige Person vorzeitig und hält dann Abstand. Was das Schlamassel jedoch noch „schlamasseliger“ macht: Weder Herkunft, noch Kopfbedeckung oder Gesichtsfussel sind im wirklichen Leben hilfreiche Erkennungsmerkmale, um einen Intriganten frühzeitig auszumachen und ihn zu meiden. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass dein Firmen-Isnogud äußerlich nicht besonders hervorsticht und er sich statt Turban und Bart zu tragen, Schädel und Gesicht glatt wie eine Bowlingkugel rasiert. Oder auch ganz anders, der Teufel hat bekanntlich 1000 Gesichter!
Natürlich arbeitet unser Isnogud im Büro nicht mit lebensbedrohlichen Fallen, giftigen Schlangen oder dunkler Magie. Aber seine Intention ist dieselbe wie die der Comicgestalt, er ist ein Karrieremensch mit nur einem Ziel: Die Leiter so schnell wie möglich hochzuklettern, ohne dabei Rücksicht auf andere zu nehmen. Je ambitionierter und kompetitiver sich dein Arbeitsumfeld verhält, umso wahrscheinlicher ist es, dass sich auch in deinem Kollegenkreis der eine oder andere Intrigant befindet. Vor allem kranke Firmen, in denen nicht Leistung, sondern Politik das Machtgefüge bestimmt, scheinen Intriganten anzuziehen. Denn in solchen wird sein schändliches Verhalten häufig sogar prämiert. Solltest Du in so einer Firma, in der das Prinzip Meritokratie nur eine sporadisch verwirklichte Idealvorstellung ist, eine Gutmütigkeit vergleichbar mit der des Kalifen einnehmen und dem Isnogud eventuell sogar übergeordnet sein, stehen die Karten schlecht für dich. Dann würde ich lieber nicht in deinen goldenen Spitzschuhen oder deinem verschnörkelten Bettlaken stecken. Nun gut, vielleicht trägst Du lieber Lederschuhe und statt seidener Gewänder, eher eine schicke Krawatte, aber dies ist hier nicht der Punkt, deine Ausgangslage ist dieselbe: Du bist die lästige Sanddüne, die dem Isnogud den Blick zur Sonne verwehrt. Er ist keine Persönlichkeit, die sie im anstrengenden Marsch zu überwinden versucht, er zieht es vor, sie in einem unbeobachteten Moment einfach zu sprengen!
Sei also auf der Turban, ich meine natürlich Hut! Gib nur Acht, dass Du dich nicht zu naiv anstellst und Opfer der Hinterhältigkeit deines eigenen Isnoguds wirst. Du magst dich sattelfest glauben, deine Untertanen sind vielleicht unterwürfig, fächeln dir mit großen Blättern frische Luft zu, aber kannst Du dir wirklich sicher sein, dass es alle unter ihnen gut mit dir meinen? Die frische Luft kann über den hinterhältigen Gestank des Isnoguds hinwegtäuschen. Solltest Du dich zu sehr in Sicherheit wiegen, dann kann es nur schiefgehen. Isnogud versteht es geschickt vorzugehen und deine Schwachstellen ausfindig zu machen. Er wird sich dir kaum auf offenem Wüstengelände offenbaren oder gar ein Kräftemessen mit dir wagen, dieser Intrigant operiert subtil und verdeckt aus dem undurchschaubaren Palmenhain. Je erfahrener und gewitzter er ist, umso mehr wird er einen direkten Konflikt scheuen und sich dir hingegen gar als dein Freund ausgeben.
Isnogud wird dich einlullen, dir das Gefühl geben, etwas ganz Besonderes zu sein und dir gleichzeitig Feindbilder liefern, die dir erklären, warum Du noch nicht Sultan bist oder sonstige Träume nicht realisieren konntest. Er wird dir Scheherazades Märchen erzählen, andere vor dir anschwärzen und mit dem Finger auf Personen deuten, auf Grund deren es für dich nicht vorangeht. Womöglich wird dir die unverblümte, offene Art, mit der er über die anderen schimpft, das Gefühl von Exklusivität vermitteln. Du bist sein Freund und Vorbild, in einem Haufen unbegabter Tölpel, Nichtsnutze und Gegenspieler. Wenn er geschickt in seinen Taschenspielertricks ist, wird er es schaffen, dich zu überzeugen, dein engster Verbündeter in der Wüste zu sein. An Orten und Zeiten, in denen allein giftige Tiere wild herumstreifen, ist euer Zusammenhalt das Einzige, was euch am Leben hält.
Sollte es ihm wirklich gelingen, dich in seinem Spinnennetz von Intrigen einzuwickeln, so bist Du in großer Gefahr. Denn anders als in den humorvollen Comicgeschichten, wird es der wahre Isnogud nicht vermasseln, dich in die Pfanne zu hauen, wenn sich ihm eine Gelegenheit dazu bietet. Und es wird dich auch kein Dschinn aus einer Wunderlampe retten. Auf einmal entpuppt sich eure Freundschaft als Zirkus und er hat nur aus einem Grund dafür gesorgt, dass Du dich einen Moment lang als Löwe fühlen durftest: Weil er ein raffgieriger Dompteur ist, der dich von Anfang an durch einen brennenden Reifen schicken wollte.
Versuche also gar nicht erst das Gute in seiner Persönlichkeit zu sehen. Selbst wenn Du unter einer Art Stockholm Syndrom leiden solltest, eine Zuneigung für Bösewichter hast, es dir Genugtuung bereiten würde, wenn die Pelzfabrikanten aus dem nervtötenden Marsupilami einen Bettvorleger machen sollten, denke ja nicht daran, dich mit Isnogud anfreunden zu wollen. Du wirst ihm als Mensch immer unwichtiger als seine Karriere sein. Und bilde dir auch nicht ein, dir sei damit geholfen, ihn mit Teilerfolgen ruhig zu stellen. Nein, dieser Intrigant strebt von einer Leitersprosse nach der nächsten und ist wahrscheinlich nicht einmal glücklich, wenn er ganz an ihrem oberen Ende angekommen ist. Denn dann offenbart sich auch ihm, dass eine Leiter ohne Halt in der Leere steht, vor sich hin wackeln wird und immerzu droht umzufallen. Um dies zu kaschieren, lassen solche Menschen in einer Machtposition ihrer Boshaftigkeit freien Lauf. Daher ist es nicht nur in deinem Interesse, sondern im Sinne der ganzen Gemeinschaft, den Isnogud zu stoppen, bevor er sich hochintrigieren kann.

Die Orientierung des hinterlistigen Großwesirs
Das Problem
Das Problem mit den Isnoguds dieser Welt ist, dass sie das Produkt eines kompetitiven Arbeitsumfeldes sind und sich in diesem wohl fühlen, wie ein Wüstenlöwe im Treibsand, während Du als braver Angestellter dem Firmenlayout nach auf ihrem Terrain naiv Sandburgen baust. Du glaubst vielleicht, einen Verbündeten gefunden zu haben, der dir das Fundament bereitet und Du fühlst dich fest angegurtet. Aber es reicht ihm, im richtigen Moment für eine kleine Erschütterung im Unterbau zu sorgen und dein ganzes Sandschloss bricht ein – Zusammen mit deinem Wolkenschloss, das dir urplötzlich und schmerzhaft wie ein Kometeneinschlag auf den Kopf fallen wird. Der professionelle Umgang miteinander am Arbeitsplatz macht es jedoch schwierig, Angelegenheiten offen zu klären. Selbst wenn Du eine Vorahnung und gute Menschenkenntnis besitzt, schon spürst, dass ein ach-so-netter Kollege dich nur ausnutzen will, um in deinem Windschatten zu fahren, so kann es sich immer noch als problematisch herausstellen, ihn zu entwaffnen. Denn Isnogud ist auf schwarze Magie spezialisiert, er weiß es, sein Gesicht zu wahren und den Schein aufrecht zu erhalten. Womöglich wird er wie ein Jean-Baptiste Grenouille aus dem Buch von Süskind „Das Parfum“ von den Leuten begehrt. In Wirklichkeit ist sein Charakter aber so hässlich, dass selbst nach seinem Tod, die Grabnachbarn als Zombies auferstehen werden, nur um ihre letzte Ruhestätte weit weg von ihm zu verlegen. Aber dessen sind sich zu Lebzeiten nur die Erfahrenen bewusst und mit einer offenen Bloßstellung riskierst Du, der schwarze Peter zu sein, welcher Probleme beim Sozialisieren mit seinen Kollegen besitzt.
Lösung 1: Unter den Turban schauen
Es kann eine Herausforderung sein, sich frühzeitig der Gegenwart von besonders intriganten Kollegen bewusst zu werden. Vor allem dann, wenn man ein recht neues Arbeitsverhältnis antritt. Die Kollegen scheinen am Anfang alle immer so freundlich und hilfsbereit zu sein. Dennoch gibt es Anzeichen, die dir dabei helfen können, einen Isnogud schnell zu entlarven. Versuche dich in ein bösartiges Gehirn hineinzuversetzen und schaue auf dein Umfeld. Wie im Comic strebt der Isnogud bei seinen Freundschaften meistens nur ungleiche an, denn er will keine potenziellen Konkurrenten. Er sucht hingegen Handlanger. Vielleicht wirst auch Du ihn mit einem Tunichgud begegnen, einem genügsamen Untertanen, der sich ihm in der Hoffnung unterordnet, irgendwann etwas von dem Erfolg seines Herren abzubekommen. Selten wird der klassische Intrigant viele Freunde auf gleicher Ebene unter den erfahrenen Angestellten haben, da diese ihn schon durchschaut haben. Kommt ihr ins Gespräch, dann wird ihm daran liegen, dich zu isolieren. Er wird dir klare Feindbilder liefern und versuchen einzureden, dass dir jemand oder etwas im Wege steht, bei dem er dir helfen kann, ihn oder es aus dem Weg zu räumen. Seine Unterstützung wird grenzenlos klingen, aber er wird sie dir hauptsächlich in Abwesenheit anderer zusichern. Probiere ihn zu durchschauen. Frage dich, warum er ausgerechnet deine Freundschaft suchen sollte. Versuche nicht die Gesten deiner nächsten Kollegen zu verstehen, sondern ihre Intentionen. Misstraue den Personen, die versuchen dir zu viel Exklusivität vorzugaukeln.
Lösung 2: Gruppenkuscheln
Solltest Du das Gefühl haben, jemand will sich bei dir einschleimen, nur um dich zu einem späteren Zeitpunkt zu hintergehen, kannst ihn aber aus diplomatischen Gründen nicht einfach den Marsch blasen, so sorge zumindest dafür, dass seine Zuneigungsbekenntnisse nicht nur zwischen euch beiden bleiben, sondern in größerem Rahmen geteilt werden. Dem Isnogud muss daran gelegen sein, dass eure Freundschaft nicht im Rampenlicht steht. Andernfalls riskiert der Dompteur vor Putschbeginn schon als Tierschänder dazustehen, bevor er das Raubtier durch den brennenden Reifen geschickt hat und es würde ihm deutlich schwieriger fallen, seine Show in Zukunft abzuziehen. Integriere ihn in deine Gruppe, ob er will oder nicht. Nun wird sich zeigen, wie er sich im Beisein anderer dir gegenüber verhält. Bist Du immer noch sein bester Freund oder schenkt er dir keine Beachtung mehr? Involviere also Dritte, teile im Beisein des Isnoguds ruhig „Exklusivwissen“, welches er dir verschafft hat. Gib dich ruhig gespielt naiv. Das wird ihn abgewöhnen, dir „Geheimnisse“ im Handel gegen deine Seele verkaufen zu wollen. Natürlich sollte vermieden werden, dass sich andere Konflikte mit ihm auf diese Weise für dich entfachen. Gib nur so viel von seinen Flüstergeschichten Preis, um den Isnogud verstehen zu lassen, dass ihr keine exklusive Geheimfreundschaft eingehen könnt, ohne den Sarazenen-Bogen zu überspannen.
Lösung 3: Handel entgegen seinen Ratschlägen
Höre ihm ruhig zu, gib dich in Gesprächen professionell, höflich, freundlich und interessiert. Bis hierhin tue alles so, wie man es sich von dir erwarten würden. Anschließend, missachtest Du dann aber all seine guten Ratschläge und Warnungen. Aber sowas von, Du gibst einfach keinen feuchten Flutschi auf sie! Warnt er dich vor einer Person, zögere nicht lange, geh zu dieser und sprich demonstrativ mit ihr. Nicht etwa, um Isnogud anzuschwärzen oder Geheimnisse durchsickern zu lassen, nein. Es reicht, ihm zu zeigen, dass er keine Macht über dich hat. Schnell wird ihm die Lust daran vergehen, dich manipulieren zu wollen, wenn er sieht, dass seine Versuche das Gegenteil von seinen Absichten bewirken. Das Schöne dabei ist, dass Du dein Gesicht bewahrst, während er womöglich den Glauben in seine intriganten Fähigkeiten verliert.
