Crazy Colleague 1
Mr. Burn-out

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Die Geschichte des Kollegen

Der frühe Wurm wird zuerst gefressen, wäre er also mal lieber länger im Bett geblieben!

Gefährlich:  40

Nervtötend:  30

Kompetitiv:  100

Inkompetent: 05

 

Der Kollege

Es ist fünf Minuten vor Acht. Die Eingangstür ist für die Angestellten noch nicht geöffnet, aber Hans steht schon schnurrgrade vor ihr bereit. Naja, nicht wirklich grade, denn sein Körper zittert wie ein nasser Chihuahua und die Schwerkraft zieht sowohl Augenlieder, als auch Wirbelsäule herunter. Er ist blass, regelrecht blutarm, so als hätten Vampire und Mücken gemeinsam an ihm um die Wette gesaugt. Gestern hat er wie so oft schon übermäßig viele Überstunden gemacht, die sind nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Heute waren dann drei pechschwarze Kaffee von Nöten, um ihn aus dem Bett zu hieven und ihm zu dieser unchristlichen Zeit die Fortsetzung seiner Arbeit zu ermöglichen.

Da steht Hans nun, der arme Tor, einsam vor den Pforten der Firma und tippt nervös von einem Fuß auf den anderen. Zum Glück ist der Boden aus Beton, ansonsten wäre er schon ganz „aufgetippt“ von seinem Stepptanz. Gedankenverloren beißt er sich auf die rauen Lippen. Es schmeckt salzig und nach Blut (etwas scheint doch noch in ihm vorhanden zu sein), den Schmerz spürt er nicht. Der Eingang ist immer noch geschlossen, nichts regt sich. Die dünne Glastür ragt mächtig vor ihm in die Höhe, so als wäre sie das Tor von Moria. Er muss sie überwinden, denn nur hinter ihr kann er seine Mission vollbringen. Leider (oder zum Glück?) ist es ihm nicht gestattet, die Arbeit mit nach Hause zu nehmen. Will er Zeit gewinnen, so muss er sich wie ein Sprinter an der Startlinie vor der elektronischen Schiebetür aufbauen und seinen Moment abwarten. Und warten. Und warten. Dann endlich! Es öffnen sich die Tore und schnellen Schrittes schreitet er in Richtung seines Bettlerthrones, dem Plastikdrehstuhl seines Spanplattenschreibtisches. Geschafft! Mit einer Hand zupft er sich Hemdkragen und Krawatte zurecht, zeitgleich öffnet die andere Hand per Maus auf dem PC seine Tagesagenda und Excel-Tabellen mit Arbeitsplanungen.

Nun kann er endlich loslegen. Richtig durchstarten. Aber seine Hand zittert noch immer. Verdammt, wieso sind die Tasten nur so klein und eng beieinander auf dem Tastaturen-Brett angeordnet?  Seine Finger fühlen sich wie dicke Würstchen an, mit denen er Klavierzuspielen versucht. Präzision ist wichtiger denn je. Doch heute steht Flohwalzer statt Beethoven im Programm. Er hinkt seinem Fahrplan schon drei Minuten hinterher. Wenn es so weitergeht, wird er zusammen mit dem Schlendrian im Stau verenden. Geduld. Nun macht auch noch das Firmenintranet Probleme. „So kann ich nicht arbeiten, so kann ich nicht arbeiten“. Während er sich von der kreisrunden Ladeanimation auf dem Desktop hypnotisieren lässt, bilden sich Schweißperlen auf seiner Stirn und werden zum Schweißrinnsal. Eine weitere Minute ist verloren. Diese wird er aus dem fünfminütigen Sozialisierungskontingent, welche für eine Pause mit den Kollegen vorgesehen war, streichen müssen.

Nervös, wie eine im Energiedrink gebadete Springmaus, schickt Hans mehrfach Hilfsanfragen an die Help Desk Abteilung. SOS, SOS. Die müssen doch irgendetwas tun können. Vielleicht können sie einen Exorzismus gegen den Schneckendämon im PC praktizieren? Doch die Jungs aus der technischen Abteilung kennen das Spiel bereits und genervt von den vielen Supportanfragen, lehnen sie sich erstmal zurück, kratzen sich am Kopf und setzen einen Kaffee auf. Es wäre ein Fehler, der Eile anderer nachzugeben. Es gibt hier für niemandem einen Blumentopf zu gewinnen, übermäßige Effizienz würde nur übertriebene Erwartungen für zukünftige Anfragen erschaffen. In wenigen Sekunden wird eh das Telefon klingen, und die digitalen Hilfeschreie werden nochmal verbal wiederholt werden. Ring, Ring. „Guten Ta…“ – „Wie gut das ich sie erreiche, hier herrscht ein Notfall, ein N-O-T-F-A-L-L, roter Code! In Kürze habe ich ein wichtiges Firmenmeeting, es geht um die Quartalzahlen für Herrn Müller und hier funktioniert mal wieder NICHTS! Der PC ist langsamer als die deutsche Bahn, wenn sie mir diesen Vergleich erlauben…“. „Keine Sorge Hans, wir sind gleich bei dir, wir eilen!“, so spricht der Support, legt den Hörer auf und schenkt sich erst einmal den nun durchgelaufenen, duftenden Kaffee ein. Nur nicht zu schnell trinken oder man verbrüht sich die Zunge!

Diese Erzählung war ein hors-d’œuvre, ein kleiner Vorgeschmack, um eine Idee eines beliebigen Vormittags im Leben von Hans zu bekommen. Glaube nicht, dass der Nachmittag es besser mit ihm meint. Nachdem er das Essen aus der Firmenmensa zur Hälfte schon in der Schlange stehend eingenommen hat, um wertvolle Minuten zu gewinnen, versucht er sich auch weiterhin zu sputen und gönnt sich keine Ruhe. Schließlich will er gut vorbereitet zum Geschäftstreffen erscheinen. Durch all die Hektik ist er total verschwitzt, aber das kennt er schon. Zum Glück hat er sich einen Fön mitgenommen, mit dem er sich die Teller unter den Achselhöhlen des Hemdes in der Firmentoilette trocknet und danach mit einem kräftigen Männerdeo Marke „Ochsentrieb“ übersprayt. Fühlt er sich auch wie ein Kalb, so will er zumindest nach einem Ochsen riechen.

Dann spurtet er zum Kopierer, wo ihn schon die nächste Tragödie erwartet, ein noch nie so in dieser Form dagewesener Papierstau! Hans weiß, dass er ruhig bleiben muss. „Denk an deine Teller unter den Armen!“, sagt er sich und versucht mit Ruhe das Problem zu lösen. Das gelingt ihm aber nicht. Wütend rupft er die Zettel aus der Klappe der Maschine. Wie Federn aus einem Suppenhuhn. Bis er die gewünschten Drücke in sauberer Form in der Hand hält, die einem jeden ordentlichen Bürokraten ein Leuchten in die Augen zaubern würden, ist sein in der Mensa gewonnener Vorsprung auch schon wieder aufgebraucht.

Der Saal für das Treffen ist natürlich noch nicht vorbereitet, doch die Hälfte der Teilnehmer wartet schon davor. Entspannt und scherzend, aber das nimmt Hans nicht wahr. Ein Desaster. Nichts läuft nach Plan. Entsetzt stellt er fest, dass auf dem Tisch nur Wasser mit Sprudel steht, davon muss er doch immer so aufstoßen! Er könnte ausrasten, alles geht schief! Morgen kündigt er! „Hans, wie ich sehe, haben sie alles ganz passabel hergerichtet“, die tiefe Stimme von Herrn Müller lässt ihn gefrieren. „K-K-K-klar, Chef!“, stottert es aus Hans heraus. „B-B-B-Belegte Sch-Sch-Sch-Schnittchen kommen auch gleich noch!“, „Nun seien sie doch nicht so ein Nervenbündel, sie geben dem Namen Hansdampf ja eine ganz neue Bedeutung! Ich bin doch kein Untier!“. Hans Puls beruhigt sich ein wenig. „Haben sie die Quartalzahlen denn ordentlich vorbereitet? Ich will Zahlen sehen, die mir entgegen strahlen, und das in der richtigen Zeichengröße und Schriftart!“ Und schon ist Hans Puls wieder auf 100.

Es ist abends und die ganze Firma bereitet sich aufs Schlafengehen vor. Stille legt sich auf den Betonklotz, und überall geht das Licht aus. Überall in der Firma? Nein, in einem kleinen Büro brennt noch Licht und Schreie tönen nach außen. Es ist das Büro von Hans. Er ist außer sich vor Wut und rauft sich die letzten grauen Haare, die ihm mit Mitte dreißig geblieben sind, gewaltsam aus. „Vermaledeit und verflixt noch mal! Wie konnte mir das nur passieren! In der Eile habe ich die Quartalszahlen vom letzten Jahr ausgedruckt! Vom letzten Jahr! Unverzeihlich!“ Der arme Hans. Aber vielleicht hat er ja dazugelernt? Wohl kaum, schon rechnet er sich aus, wie viele unbezahlte Überstunden es braucht, um seinen Fehler vergessen zu machen.

Die Orientierung des Mr. Burn-out

Das Problem

Es ist immer gut, jemanden im Arbeitsteam zu haben, der mit Herzblut bei der Sache ist und sich richtig für sie ins Zeug legt. Aber wie dir das Beispiel von Hans hoffentlich verdeutlicht hat, ist der Mr. Burn-Out ein entzündeter Neujahrsböller, bei dem die Lunte schon im Inneren verschwunden ist und der jeden Moment hochgehen kann. In seiner Nähe kann es dann einen ganz schönen Knall geben, ohne dass Du etwas dazu könntest. Doch es muss gar nicht erst zur Explosion kommen. Schon seine nervöse Gegenwart ist ansteckend und kann leicht auf dich und andere überspringen. Egal ob er in dir Mitleid oder Unbehagen hervorruft, sein ständig vibrierendes Bein, das Erdbeben im unteren bis mittleren Bereich der Richterskala auf dem Schreibtisch verursacht, ist eine störende Ablenkung für diejenigen, die mit ihm arbeiten müssen. Hinzu kommt, dass seine Ruhelosigkeit das Tempo in eurer Gruppe diktieren wird. Es ist unmöglich die Arbeit ruhig und geordnet anzugehen, wenn seine Lunte entzündet ist und er ungebremst in jeder Angelegenheit nach vorne prescht. Wie bekommst du diesen Kollegen in den Griff, ohne dass seine Unruhe auf dich und deine Gruppe übergreift?

Lösung 1: Beruhigungstee, Baldrian oder Marihuana

Selten liegt die Lösung so auf der Hand wie bei Mr. Burn-Out, sein Fall schreit aus voller Lunge nach Entschleunigung. Könntest Du ihm helfen, sich mal richtig zu entspannen, so wäre wahrscheinlich auch für dich das Problem aus der Welt. Knifflig ist dabei, dass er in der Gemächlichkeit selbst seinen persönlichen Feind sieht. Die Ruhe ist für ihn nur ein Hindernis auf dem Weg zu mehr Produktivität. Und Produktivität ist für ihn gleich Erfolg. Dem ist natürlich nicht so. Jedoch auf Einsicht zu hoffen, wird nicht funktionieren. Stattdessen musst Du dafür sorgen, dass er seine Medizin einnimmt. Wie bei einem unwilligen Kleinkind, musst Du ihm das Beruhigungsmittel im Kuchen oder in der Eiscreme untermischen. Es bedarf also kleiner Tricks. So könnten zum Beispiel regelmäßige Freizeitaktivitäten neben der Arbeit ihn dazu bringen, etwas zu entspannen. Vielleicht kann es als Teambuilding-Maßnahme durchgehen. Da er diese wohlmöglich als Zeitverschwendung ansieht, braucht es eine kritische Masse an teilnehmenden Kollegen, damit er das Vorhaben nicht als reinen Vergnügungsausflug wahrnimmt, sondern es für ihn zu einem nicht zu verpassenden Firmenevent wird. Erholende Momente können aber auch in den Firmenalltag integriert werden. Bringe hin und wieder mal einen Kuchen mit ins Büro und teile ihn mit den Kollegen in kleiner Runde. Spiele dabei seinen Hang zu professionaler Dankbarkeit gegen seine Eile aus. Fülle die Tee- oder Kaffeetassen so sehr mit heißem Getränk voll, dass sie nicht innerhalb einer Minute zu bewältigen sind. Sollte der Plan trotzdem scheitern, bleibt immer noch die Möglichkeit, Marihuana in den Kuchenteig zu geben. Das wird dann nicht nur bei Mr. Burn-Out für Entschleunigung führen, sondern in der ganzen Abteilung für eine entspannte Atmosphäre sorgen. Hier könnte es anschließend nur kleine Probleme mit der Produktivität geben…und mit dem Recht!

Lösung 2: Reglementierung hoch drei

Diese Lösung bietet sich dann an, wenn ihr bei der Arbeit besonders aufeinander angewiesen seid. Sie ist nicht perfekt, aber seine Art, alles auf Effizienz bürsten zu wollen, kommt dir bei ihrer Durchführung entgegen. Das Rezept liegt darin, so viele Regeln und Planungen wie möglich für euren Alltag aufzustellen. Vom Zeichnen roter Linien, wo dein Bereich des Schreibtisches anfängt und aufhört, bis zum Festlegen von Zeiten und Fristen für noch so selbstverständliche Aktivitäten des Arbeitsalltags. Alles muss in einem Plan penibel verbucht sein. Vor allem die Fristen, diese sind besonders wichtig. Wenn zeitlich alles haargenau geplant ist, so nimmst Du ihm einen Grund für seine Eile, denn dann macht es wenig Sinn vorzuarbeiten. Natürlich wird er bei den Planungen darauf drängen, alles so schnell wie möglich zu erledigen und die Agenda vollzustopfen. Er wird in der Planung keine Minute für Entschlackung vorsehen, aber hier kannst Du es mit Kompromissen versuchen oder auch ein bisschen tricksen. Übertreibe bei Berechnung der notwendigen Zeit in gemeinsam verflochtenen Aktivitäten, in denen es auf Zusammenarbeit ankommt, mit der Ausführungsdauer deines Anteils. Vielleicht wirst Du kurzfristig seine Missachtung ernten, weil ihm alles zu langsam geht. Auf der anderen Seite aber, wird das Gefühl schneller und effektiver als Du zu sein, in seinem Darm wie ein Zäpfchen, beladen mit Erfolgsgefühlen, aufsteigen.

Lösung 3: Hunderennen

Wenn Du dich fragst, ob Du dir seine Arbeitswut zu nutzen machen kannst, muss ich dich enttäuschen. Nach dem Motto, wenn er die ganze Arbeit aus dem Team alleine vollendet, dann hat das Team nichtdestotrotz alles Notwendige erledigt. Das funktioniert nicht. Der Druck, den Mr. Burn-Out in sich aufbaut, rührt in den meisten Fällen daher, dass er sich von den anderen Lahmärschen in der Firma abheben möchte. Deshalb gibt es wenig Chancen, das Pferd vor die eigene Kutsche spannen zu können. Er will dich mit Sicherheit nicht an seinem persönlichen Erfolg teilhabenlassen. Jedenfalls nicht solange Du dich nicht in einer hierarchisch übergeordneten Position befindest, in der Du sein Wesen scharmlos ausnutzen könntest – und das würdest Du ja mit Sicherheit nicht tun wollen! Als Arbeitskollege denk dir lieber etwas Faireres aus. Falls Du den Atem und die Ausdauer hast, könntest Du es auf ein Hundewettrennen ankommen lassen – d.h. ihm Gesellschaft dabei leisten, imaginären weißen Kaninchen hinterher zu jagen. Mache seinen Lebensstil eine kurze Zeit lang nach! Wenn er jemanden begegnet, der sich wie er, ohne Grund totarbeitet, dann wird ihm hoffentlich die Sinnlosigkeit seines Tuns bewusst. Du bist sozusagen sein Spiegel. Natürlich kann diese Strategie nicht lange durchgehalten werden, aber vielleicht reicht schon eine kleine Demonstration. Im Stress realisiert Mr. Burn-Out meist gar nicht, wie sinnlos er sich abnutzt.

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