Crazy Colleague 12
Der Unentschlossene

Die Akten - Deutsch - English - Italiano

CC12 Der Unentschlossene - Der 12 aus der Crazy Colleagues Serie
Der 12 Crazy Colleague (italienisch)

Die Geschichte des Kollegen

Besser keine Qual haben, als die Wahl der Qual.

Gefährlich:  15

Nervtötend:  60

Kompetitiv:  25

Inkompetent: 40

 

Der Kollege

Es ist Schlemmermittwoch. Das bedeutet, heute essen die Kollegen auswärts zu Mittag. Es ist ein kühler Tag, doch Sibille schwitzt wie ein Teenager beim ersten Date. Allerdings sind es nicht die Schmetterlinge im Bauch, die ihre Hitzewallungen verursachen. Es sind die elektrischen Entladungen in der Hirnrinde. Sie fühlt sich ständig unter Beobachtung und spürt den Unmut ihrer Kollegen aufkeimen. In der Tat, die Situation ist brenzlig, die ersten zwanzig Minuten der Mittagspause sind schon um, und die Uhr tickt gnadenlos weiter. „Werteste Dame, möchten sie nun eine Entscheidung treffen?“. Sibille schluckt. Oje, wenn ich es jetzt vermassele, dann ist der Tag im Eimer. Gequält bemüht sich der Kellner dazu, weiterhin sein inzwischen starr gewordenes Lächeln aufrechtzuerhalten. „Ich wiederhole die Frage gerne noch einmal, möchten sie ihr Wasser mit oder ohne Sprudel? Oder soll ich ein drittes Mal wiederkommen?“. Er hat recht, ein Entschluss muss fallen. Aber was für ein Dilemma. Sibille spannt die Bauchmuskeln an und nimmt all ihren Mut zusammen. „Ok, ich nehme…ich nehme… das Wasser mit Sprudel!“. Der Anfang des Satzes geht denkbar langsam über die Lippen, das Ende kommt nur so herausgesprudelt. Es ist ihr peinlich. Die Menge hingegen jubelt begeistert, endlich steht eine Entscheidung! Weißer Rauch steigt auf! Habemus Papam! Der Kellner verneigt sich. „Mit Vergnügen nehme ich ihre Bestellung auf!“. Während er eilig „Eine Flasche Wasser mit Sprudel“ auf seinen Block schreibt, erwacht erneut ein unangenehmes Kribbeln in Sibilles Magengrube. Sie fühlt sich schon wieder ganz heiß und leidet gleichzeitig unter Schüttelfrost. Ihr kommen Zweifel an der Entscheidung auf. Als der Kellner sich auf den Weg macht, um das Wasser zu holen, ruft sie ihm nach: „Oder habt ihr auch welches mit ganz wenig Kohlensäure?“.

 

Die Mitarbeiter kehren ins Büro zurück, am Ende haben sie die Mittagspause nur zehn Minuten überzogen. Keine schlechte Bilanz, wenn Sibille dabei ist. Für den Rückweg gab es zum Glück keine Entscheidungen zu treffen, es galt nur die Beine in die Hand zu nehmen und zu rennen. Das war gar nicht einfach, denn auch jetzt noch sind alle so satt wie ein Müllschlucker von McDonalds bei Ferienende. Nur Sibille hat nichts gegessen, denn sie ist an der Wahl der Vorspeisen gescheitert. Das entspricht leider keiner guten Grundlage, um heute bei der Arbeit weitere, wichtige Entscheidungen zu treffen. Die Arme verflucht sich selbst auf Grund ihrer Unentschlossenheit, es ist alles ihre eigene Schuld. Aber leider hilft ihr die Erkenntnis nicht dabei, den Wahlprozess zu beschleunigen. Sie seufzt und lehnt sich zurück, immerhin hat sie nun ein wenig Ruhe.

 

Falsch gedacht, die nächste Entscheidung steht schon an, Harald nähert sich ihrem Schreibtisch. Der möchte sie garantiert mit einer seiner überflüssigen Fragen belästigen. Nach ein paar Jahren Arbeitserfahrung in der Firma, hat sie sich allerdings schon eine Strategie für unerwünschten Besuch zurechtgelegt. Wenn jemand etwas von ihr will, dann spielt sie erst einmal auf Zeit. „Du möchtest, dass ich mich zwischen gelbem oder grünem Papier für die Visitenkarten entscheide? Hm…“. Die Zeit vergeht. „Hmmm…“. Je nach Situation und Geduld des Fragenstellers können noch zwei bis drei „Hms“ folgen. Es scheint so, als wäre Sibille in Meditation verfallen. Dann macht sie endlich den Mund auf. Aber nicht etwa, um eine klare Antwort zu geben, stattdessen kommt es zur ersten Gegenfrage. „Also, kannst du mir denn vielleicht erst einmal in ein paar Stichpunkten erläutern, was der Vorteil oder Nachteil von gelben, beziehungsweise grünen Karten wäre? Nein, ich nehme dich nicht auf den Arm, ich will nur keine vorschnelle Entscheidung treffen, schließlich muss ich dann mit diesen Karten leben. Was empfiehlt denn Goethes Farbenlehre?“.

 

Der Zeitgewinn ist kurz, aber noch werden die Möglichkeiten des Hinausschiebens weiter ausgelotet. „Bis wann brauchst du denn eine endgültige Entscheidung?“. Eine typische Frage von Sibille in dieser Situation, hinter dessen wenigen Worten eigentlich „Lass bitte so viel Zeit wie möglich vergehen, bis du mich das nächste Mal belästigst, auf das sich die Probleme irgendwann von alleine lösen“ steht. „Waaas? Du musst es heute schon wissen? Das ist ja ein Unding, dass man uns so drängt! Schade, ich hatte auf etwas mehr Bedenkzeit gehofft!“. Wieder gerät Sibille ins Schwitzen. Zum Glück hat sie heute ein starkes Parfum aufgelegt – dasselbe wie jeden Tag übrigens, schließlich will sie sich nicht auch morgens schon mit schweren Entscheidungen auseinandersetzen. Ihre Versuche werden verzweifelter. Nun geht die Strategie in Ablenkung über. „Aproposito Karte, hast du denn schon eine Geburtstagskarte für deinen Hund besorgt? Der müsste doch dieses Jahr ein Jahr älter werden! Wie heißt er noch gleich? Fifi? Was ein origineller Name!“.

 

Während sich das Gespräch in die Länge zieht und abdriftet, hört Sibille allenfalls nur noch mit halbem Ohr, also dem Ohrläppchen, zu. Anstatt sich für das Gesagte zu interessieren, überlegt sie sich Auswege, wie sie ihr Problem lösen könnte. Dabei fallen ihr die Üblichen ein: Ich könnte einen Würfel werfen, eine Münze hoch schnippen, das Spiel des FC Dusseldorf abwarten und wenn sie gewinnen, nehme ich grün, wenn sie verlieren gelb und bei Unentschieden denke ich mir eine andere Entscheidungsfindung aus. „Sibille…Sibille…SIBILLE!“. Endlich wacht sie aus ihrer Tagträumerei auf. Harald, der oberste Visiten- und Karteikartenleiter seufzt. “Was hältst du davon, wenn ich dir einfach BEIDE Farben ausdrucke und du benutzt dann diejenigen, die dir besser gefallen?“ Sibille starrt ihn entgeistert an. „Was ich davon halte…?“ Harald nickt, „genau, ist das nicht eine gute Idee?“. Sibille spielt nervös mit ihren Haaren. „Bis wann muss ich mich denn entschieden haben, was ich davon halte?“.

Die Orientierung des Unentschlossenen

Das Problem

Hältst Du Sibilles Art für ein Problem? Ja? Nein? Vielleicht? Wenn Du etwas Bedenkzeit zum Entscheiden brauchst, dann gehörst Du wahrscheinlich selber zu den Unentschlossenen und für dich ist es ein Segen, nicht der einzige Bremsklotz bei Entscheidungsfindungen zu sein. Aber für all diejenigen, die zeitig auf Entscheidungen einer Person wie Sibille angewiesen sind, ist es eine wahre Geduldsprobe, jedes Mal zu warten, bis endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden können. Neben den langen Wartezeiten, die durch die Unentschlossenheit zu Stande kommen, liegt auch immer das unangenehme Gefühl in der Luft, dem anderen etwas aufzudrängen. Das Gefühl, den Unentschlossenen ständig unter Druck zu setzen, ihm vielleicht sogar in seinen Verantwortungsbereich rein zu fuschen, kann die Beziehung belasten und manchmal auch hierarchisch in der Firma als kritisch gesehen werden. Wie bekommst Du die unentschlossene Sibille dazu, Verantwortung zu übernehmen und schneller Entscheidungen zu treffen?

Lösung 1: Der Zonck und inverse Psychologie

Erinnerst Du dich an die Fernsehshow der „Zonck“? Bei dieser muss sich ein Kandidat zwischen einer von drei Türen entscheiden. Hinter zwei Türen sind Nieten (Der sogenannte „Zonck“, eine hässliche, kleine Stoffratte), hinter einer der Gewinn. Nachdem sich der Kandidat mehr oder weniger per Zufall auf eine Tür festgelegt hat, streicht der Quizmaster eine der beiden anderen, hinter der sich garantiert eine Niete befindet. Danach versucht er den Kandidaten dazu zu überreden, von seiner gewählten Tür abzulassen und die letzte, übriggebliebene, zu wählen. Der Gag bei der Sache ist, dass seine Gewinnchancen höher liegen, wenn er nun auf den Moderator hört und die Tür wechselt. Probiere es zuhause aus. Simple Wahrscheinlichkeitsrechnung. Der menschliche Instinkt, sich nicht beeinflussen lassen zu wollen, drängt die meisten von uns aber üblicher Weise dazu, nicht zu wechseln (zumindest solange der Kandidat das Spiel nicht durchschaut hat). Was hat das nun mit dem Unentschlossenen zu tun? Ganz einfach, wenn Du eine Entscheidung von ihm willst, zum Beispiel, dass er sich für eine Sorte Gummibärchen als Pausenproviant entscheidet, dann präsentiere ihm zunächst drei Lösungen (möchtest Du rote, grüne oder weiße Gummibärchen?). Weise ihm eine zu, die dir am liebsten ist (ok, nimm doch hier die Roten), streiche eine andere definitiv (die Weißen schmecken nach Sülze, lassen wir die lieber sein) und dann versuch ihm die Alternative anzubieten (oder willst du doch lieber die Grünen?). Nun wirst Du wohl immer noch eine unentschlossene Antwort bekommen. Wenn Du ihn aber mehr und mehr dazu drängst, die Grünen zu nehmen, wird er sich unter Druck gesetzt fühlen und viel einfacher die von ihm, beziehungsweise für ihn, getroffene Entscheidung akzeptieren (Lass gut sein, ich bleibe bei den Roten!). Inverse Psychologie. Am Ende hast Du die Entscheidung getroffen, aber ihn entscheiden lassen.

Lösung 2: Entscheidungspoker

Eine gängige Methode des Projektmanagements ist Planning-Poker, ein spielerischer Weg zum gemeinsamen Einschätzen von Aufwänden. Bei dieser Methode müssen alle beteiligten im Projekt den Aufwand abschätzen, ein konkretes Problem zu lösen. Dazu erhält jeder ein Kartenset mit aufsteigenden Zahlen und muss für eine dargestellte Problemstellung eine Karte mit einem Wert in der Höhe verdeckt ausspielen, der widerspiegelt, wie aufwendig er sie zu lösen hält. Nachdem alle eine Karte abgegeben haben, werden sie alle aufgedeckt und das Ergebnis wird diskutiert. Ein wichtiger Faktor bei diesem Spiel ist der Spaß, der dazu motivieren soll, eine Meinung abzugeben. Wahrscheinlich unterstützt auch die anfängliche Anonymität bei der Kartenwahl dabei, ungemütliche Wahrheiten ans Licht zu bringen. Ändere die Spielregeln vielleicht ein wenig ab, aber wende dieselben Prinzipien an: Anonymität und Spaß! Finde einen Weg, sodass der Unentschlossene die ihm so unangenehme Entscheidung niemanden direkt ins Gesicht sagen muss, sondern im Stillen treffen kann und er danach langsam zur Diskussion hingeführt wird. Und vielleicht hilft es ihm auch, wenn er sie schriftlich kommunizieren darf. Auf diese Weise kannst Du dem Unentschlossenen viel vom Überwindungsdruck nehmen.

Lösung 3: Bleigießen und Roulette

Brauchst Du nur die Absegnung oder das Feedback des Unentschlossenen und dir ist eigentlich egal, wie die getroffene Entscheidung aussieht, dann versuche doch einfach ein simples Glückspiel mit ihm zu etablieren.  Es kann für viele „Ja oder Nein“ Fragen so einfach wie „Stein, Schere, Papier“ sein. Aber auch auf komplexere Fragen kann eine Antwort nach dem Bleigießen-Prinzip gefunden werden: Wenn Du dich nicht entscheiden kannst, dann fragen wir halt die höheren Mächte, das Orakel von Delphi oder den chinesischen Glückskeks und interpretieren uns dann die Antwort zu recht. Und am Ende läuft es dann wie beim Bleigießen: Theoretisch gibt es eine Unzahl an möglichen Objekten, die gegossen werden können und je nach dem eine alternative Zukunft voraussagen. Praktisch gießt man immer ein wirres Gekrüpsel und es liegt dann an der Phantasie und Schlagfertigkeit der Anwesenden, etwas Sinnvolles herauszulesen – oder man deutet das Resultat von vornerein so, wie man es am liebsten hätte und erspart sich somit den ganzen mystischen Zenober.

 

 

Schadenfreunde

(c) 2023 Alle Rechte vorbehalten.

SOCIAL

(c) 2023 Alle Rechte vorbehalten.

Das Problem